Die Digitalisierung fordert unser bisheriges Verständnis des Wirtschaftens heraus. Jetzt ist es Zeit, Menschen vor neuen Arten der Ausbeutung zu schützen.
Einkaufen im Internet, Fahrdienste auf Online-Plattformen anbieten, elektronisch mit Wertpapieren handeln oder bezahlte Kleinstarbeiten über eine Online-Vermittlung übernehmen: Die Digitalisierung verändert, wie wir wirtschaften. Das bietet Chancen und Risiken. Das achte Gebote schärft den Blick dafür. In Zeiten großer Knappheit erinnerte es: „Du sollst nicht stehlen“. So schützte es die Lebensgrundlagen aller: Nimm anderen nicht weg, was sie zum Leben in Freiheit brauchen.
Das lässt sich nicht nur als Verpflichtung Einzelner verstehen, sondern auch als Orientierung für Politik und Unternehmen: Schützt, was Menschen zum Leben in Freiheit brauchen. Dazu gehören Gemeingüter genauso wie die Möglichkeit, sich Eigentum zu erarbeiten. Eigentum ermöglicht Wohlstand und Freiheit, kann aber auch missbraucht werden.
In Deutschland sollte lange Jahre die soziale Marktwirtschaft Wohlstand und Eigentum als Lebensgrundlage garantieren. Ein Modell, das in nationalen Grenzen wirksam war, jetzt aber mit grenzüberschreitenden, digitalen Unternehmen konfrontiert wird. Das wirft neu die Frage auf, wie Arbeit, Eigentum und Verteilung gerecht geregelt werden können. Dabei ist es gut, bestimmte Güter als Gemeingut zu sehen: Klimastabilität, Artenvielfalt, natürliche Ressourcen. Das gehört allen gemeinsam und alle gemeinsam sind verantwortlich dafür. Digitale Informationstechnik kann helfen, diese Verantwortung wahrzunehmen.
In der digitalen Wirtschaft spielen Plattformen eine große Rolle: Internetunternehmen bieten Plattformen an, auf denen sie selbst und andere Dienstleistungen und Waren anbieten und suchen. Für Nutzer:innen lohnt es sich mehr, auf einer Plattform unterwegs zu sein, auf der auch möglichst viele andere sind: Facebook wäre nicht interessant, wenn dort kaum ein anderer wäre. So entstehen Monopole.
Und kaum eine Plattform sammelt nicht in großen Mengen die Daten ihrer Nutzer:innen. Werden Daten nach intransparenten Regeln ausgewertet, können sie dazu benutzt werden, Nutzer:innen zu beeinflussen. So bekommen die Plattformbetreiber eine Macht, die sie missbrauchen können: Die eigenen Produkte werden bevorzugt, die von anderen weniger sichtbar. Politische Willensbildung wird beeinflusst. So gefährden große Online-Plattformen die Lebens- und Freiheitsgrundlagen anderer. Zeit, einzuschreiten: Die Europäische Union sollte Plattformen regulieren und ihnen verbieten, sich selbst zu begünstigen.
In Zeiten der Digitalisierung wird das Arbeiten mobiler, flexibler und global vernetzter. Das kann Beschäftigten mehr Entscheidungsfreiheit geben, kann sie aber auch stark belasten und überfordern. Der digitale Wandel darf nicht auf Kosten von Beschäftigten und der sozialen Absicherung gehen. Gerade die Schwächsten müssen vor Ausbeutung geschützt werden – es geht schließlich um die Lebens- und Freiheitsgrundlagen aller. Dies fordert die Sozialpartner:innen heraus, Verantwortung zu übernehmen, Regeln gegen Ausbeutung zu finden und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu sichern.
Wichtig bleiben in der Arbeitswelt die Sicherheiten, die die evangelische Kirche schon lange betont hat: Arbeits- und Auftragsbeziehungen auf Augenhöhe, gerechter Lohn, Schutz bei der Arbeit, soziale Sicherung, die grundlegenden Rechte von der Arbeit leben zu können und in der Arbeit leben zu können. Denn das entspricht dem achten Gebot.
Die evangelische Kirche setzt sich auch im digitalen Zeitalter dafür ein, dass alle am gemeinsam erwirtschafteten Eigentum und Wohlstand teilhaben: Evangelische Christ:innen tun dies als Unternehmer:innen und Beschäftigte. Kirche und Diakonie sind hier auch als Arbeitgeberinnen gefordert.
Aus theologischer Sicht wird die Frage diskutiert, inwiefern das Achte Gebot angemessene Hinweise auf den Aspekt der Güterverteilung im Kontext des digitalen Wirtschaftens geben kann, oder ob hier nicht weitere Aspekte der Sozialgesetzgebung der hebräischen Bibel hinzugezogen werden sollten.