Menschliche Freiheit ist gut. Eine Grundüberzeugung des evangelischen Glaubens ist, dass diese Freiheit ihren Ursprung in Gottes Liebe für den Menschen hat. Das bedeutet aber auch: Die eigene, persönliche Freiheit ist auf die Freiheit der anderen angewiesen. Diese Achtsamkeit füreinander ist im digitalen Wandel besonders wichtig.
Digitale Technologien bieten neue Möglichkeiten, Freiheit mit anderen für das eigene Leben zu gestalten, zum Beispiel im Internet oder in den sozialen Medien. Aber Menschen können digitale Technik auch nutzen, um sich selbst oder anderen Freiheit zu nehmen. Es gilt daher genau zu prüfen, wie sich die Digitalisierung gut für Menschen und ihre Lebenswelt nutzen lässt, ohne dies auf Kosten anderer zu tun oder die eigene Freiheit zu verspielen.
Wir glauben, dass menschliche Kreativität, die technische Innovationen hervorbringt, eine Schöpfungsgabe Gottes ist. In ihr liegt die Kraft, Neues zu wagen und zu entdecken und dieses mit anderen in Freiheit zu gestalten.
Digitalisierung bietet Chancen für mehr Freiheit: Wir können uns weltweit miteinander vernetzen, im virtuellen Raum neue Erfahrungen machen, Wissen austauschen, lernen, uns in politische Debatten einbringen oder selbst bloggen – kurzum: unsere Wahrnehmung und unseren Handlungsspielraum erweitern. Evangelische Christinnen und Christen sehen die Freiheitschancen digitaler Technik und nehmen sie wahr.
Dabei kann es aber passieren, dass wir den anderen Menschen aus dem Blick verlieren oder die Konsequenzen unseres Handelns und unserer technischen Möglichkeiten überschätzen oder auch unterschätzen. Als Menschen sind wir nicht allwissend. Daran müssen wir uns gegenseitig erinnern. Dann können wir unsere Freiheit und Kreativität bewusst nutzen, um für andere und uns selbst Gutes zu tun. Das gilt auch im Internet, in den sozialen Medien und beim Umgang mit digitaler Technik.
Digitale Kommunikation kann auch abhängig machen oder verunsichern; dann verlieren Menschen Freiheit. Google, Amazon, Facebook und Apple wirken übermächtig. „Was kann ich da schon ausrichten?“, fragen sich einige. „Wie soll ich denn mit anderen befreundet sein, ohne in den sozialen Medien unterwegs zu sein?“, mögen andere denken und keine Alternativen sehen. Algorithmen bestimmen, welche Beiträge wir lesen und mit wem wir Kontakt haben. Wie das funktioniert, verstehen die meisten nicht. So entsteht schnell das Gefühl: Hier bin ich machtlos, ich kann gar nicht anders. Das gefährdet die Freiheit.
Auch Kommunikation über Digitales kann unfrei machen. In den Diskussionen werden Utopien und Befürchtungen ausgetauscht. Es ist nicht leicht, sich darin zu orientieren. Für die einen verspricht die Digitalisierung eine perfekte neue Welt ohne Krankheit, Armut und Tod; andere fürchten die Überwachung und Maschinenherrschaft. Beide überschätzen die Macht der Technik. Hinter technischen Entwicklungen stehen Menschen und Interessen. Für die Entwicklung und Nutzung von Technologien tragen Menschen Verantwortung. Die evangelische Kirche tritt dafür ein, sich nicht von übergroßen Hoffnungen oder Ängsten einschüchtern oder leiten zu lassen. Vielmehr soll digitale Technik verantwortlich und gut genutzt werden – für mehr Freiheit.
Woher wissen wir, dass unsere Freiheit ihren Ursprung in Gott hat? Davon erzählen die Geschichten der Bibel. Im Alten Testament wird berichtet: Gott befreit sein Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Im Neuen Testament predigt Paulus: Christus befreit von der Herrschaft der Mächte. – Menschen, Überzeugungen und Sehnsüchte können jedoch immer wieder zu Mächten werden, die unfrei machen. Mit der Digitalisierung müssen wir neu lernen, zu unterscheiden: Nutzen wir die Möglichkeiten digitaler Technik für mehr Freiheit und Vernetzung! Aber machen wir die digitale Technik, die großen Internetunternehmen, und übergroße Erwartungen oder auch Ängste nicht zu neuen Mächten, die uns unfrei machen!
Wie lässt sich diese christliche Haltung im Blick auf Digitalisierung zur Sprache bringen? Und wie kann sie die Diskussion um die Digitalisierung mitgestalten?